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CDs (Besprechungen, Bezugsquellen)
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Sampler: Salsa Fresca! Dance Hits Of The '90s

(p) 1996 Sony Music Entertainment, (c) 1996 Rhino Records (R272195 / A 26421)

CD-Besprechung von Rob Lücking

CD Cover Luis Enrique hat vor ein paar Jahren das Zitat geprägt: "Ustedes están locos, la salsa que escuchan es salsa vieja, eso no va." Darüber kann man trefflich streiten, jedenfalls findet sich im Bereich der modernen Salsa kaum etwas, das an "verstaubte" Klassiker wie Cucala, Niña y Señora, Congo Yambumba, Y No Hago Más Na' oder Cali Pachanguero heranreichen würde. Der Titel der vorliegenden CD, SALSA FRESCA!, weckt dementsprechend bei Liebhabern der klassischen Salsa, zu denen ich mich zähle, kurze Haßgefühle ob der Arroganz mancher Salsa-Frischlinge (nichts gegen Luis Enrique, der kann sich das noch am ehesten leisten ...). Die verschwinden aber spätestens beim Anblick der Titelliste und sind beim ersten Reinhören völlig vergessen.

Bei Samplern fragt man sich oft, nach welchen Kriterien Interpreten und Titel zusammengestellt wurden. Die Kombination von ein paar Alibi-Hits mit ansonstem müdem Beiwerk ist ja leider allzu häufig. Aber welche geniale Muse hat diejenigen geküßt, die für die Kompilation von SALSA FRESCA! verantwortlich waren? Sprich Laura Canellias und "Super" D.J. Robby (als Namensvetter will ich da einen gewissen Stolz nicht verhehlen...). Hier ist wirklich alles versammelt, was im Bereich der "neuen Salsa-Welle" Rang und Namen hat: Eddie Santiago, Frankie Ruiz, Luis Enrique und Rey Ruiz als die "reyes y príncipes" der Salsa Romántica, die ewig jungen Klassiker Willie Colón, Tommy Olivencia, Hansel Martinez und Willie Rosario (zusammen mit dem wiederauferstandenen Fania-Veteran Pete "El Conde" Rodriguez), Grupo Niche als eine kolumbianische Institution, die jungen Wilden Johnny Ray, Pupy Santiago, Alex Leon (so jung sind sie ja inzwischen auch nicht mehr), der unvergleichliche Gilberto Santa Rosa und Giro als eines der Idole der Teenie-Salsa-Generation.

Als wäre das noch nicht genug, und auch wenn bei manchem die Auswahl schwergefallen sein mag: bei fast allen Interpreten hat man unter der Vorgabe, die der Titel SALSA FRESCA! mit sich bringt, das Feinste vom Feinsten herausgesucht. No Me Acostumbro (Rey Ruiz), Lo Que Pasó Entre Tu Y Yo... Pasó (Luis Enrique, inzwischen ins Pop-Fach gewechselt) und Lluvia (Eddie Santiago) gehören für mich zum Schönsten, was die Salsa Romántica hervorgebracht hat (vielleicht auch, weil sich damit Erinnerungen an Costa Rica verbinden...). Bandolera (Orquester von Johnny Ray mit Frontsänger Ray Sepulveda) ist im wahrsten Sinne des Wortes "Salsa Con Clase", ein mitreißendes Stück der modernen schnellen Salsa, die auch von Willie Colón und seiner unverkennbaren Posaune in Idilio und Pete "El Conde" Rodriguez mit Esos Tus Ojos Negros meisterhaft beherrscht wird. Für diejenigen, die sich fragen, wer da wohl im Hintergrund von Idilio seine Stimme zu der von Willie Colón gesellt: nach den Angaben im Begleitheft soll es Andy Montañez sein (und so hört es sich durchaus an), allerdings wird auf der Original-CD von Willie Colón, der man eher Glauben schenken sollte, Cucco Peña genannt. Grupo Niche ist schon seit mehr als 20 Jahren im Geschäft, und hier ist fast jeder der unzähligen Titel (alle "offiziell" von Bandleader Jairo Varela geschrieben) zum Hit geworden. Una Aventura war 1990 ein Maxi-Hit und hat alle Elemente der typischen kolumbianischen Salsa: weich dahinfließende Melodien im Medley-Stil, verbunden mit glasklaren Rhythmen. Leider ist die Sampler-Version eine neuere Aufmischung für den US-Markt, die ein bißchen hinter dem Original zurücksteht.

Gilberto Santa Rosa wird von nicht wenigen Kollegen als der momentan beste "Sonero" oder Salsa-Interpret eingestuft (sogar noch vor Oscar D'Leon!) und braucht auch einen Vergleich mit Juan Luis Guerra kaum zu scheuen. Umso schwieriger die Auswahl aus seinem reichhaltigen Repertoire, aber mit dem eigenwilligen Que Manera De Quererte hat man hier einen tollen Griff getan. Willie Rosario's Esa Muñeca ist echte Dancefloor-Salsa mit harter, durchschlagender, schweißtreibender Percussion. Das gilt auch für das Orchester von Tommy Olivencia, der seinem typischen Stil mit No Tires La Primera Piedra treu bleibt. Das Begleitheft sagt dazu: "Like Willie Rosario, Tommy Olivencia gives you the lushness and swing of a big dance band cooking with all the burners set on high." Yeah! Bailando war einer der letzten großen Hits des im Vorjahr unerwartet verstorbenen Frankie Ruiz, der auch schon als Frontmann bei Tommy Olivencia gesungen hat. Titel und Text sagen es schon: kompromißlose Tanzmusik, vermischt mit unzweideutigen erotischen Anspielungen ("... bailando hacemos el amor..."). Keiner konnte das so gut wie Frankie.

Die CD startet mit Cover-Versionen zweier Salsa-Klassiker, und zwar nicht irgendwelcher. Quitaté La Mascara war im Original mit Ray Barretto und Adalberto Santiago ein Hit in den 70ern, ist aber auch in der für Hansel Martinez charakteristischen Adaptation hörenswert. Ärgerlich: das Stück wird einfach ausgeblendet, ein Unding. Das tut weh! (Übrigens auch bei Esos Tus Ojos Negros...). Justo Betancourt machte Pa' Bravo Yo zum absoluten und ewigen Salsa-Tanzklassiker. Unmöglich für Pupy Santiago, hier noch etwas herauszuholen, aber ebenso schwierig, etwas falsch zu machen. Ergebnis: leicht verjüngte, ewig tolle Salsa! Auch Acabo De Llegar mit dem nicht ganz so bekannten Alex Leon ist eine Cover-Version, die mir sogar besser gefällt als das Original der kubanischen Charanga-Band Orquesta Original De Manzanillo. Also doch noch eine Homage an die klassische Salsa und ihre Wurzeln...

Abgerundet wird diese absolut gelungene Zusammenstellung durch ein sehr informatives Begleitheft (in Englisch und Spanisch), das neben Daten und Besprechungen zu allen Titeln einen kurzen, enthusiastischen Abriß der Salsa aus der Sicht zweier Kenner der Szene gibt. Der Begriff der Salsa wird allerdings sehr weit gefaßt, bis hin zum Merengue, was denjenigen, der sich für die Herkunft und Geschichte dieser Musik interessiert, verwirren oder gar in einer falschen Auffassung von Salsa bestätigen mag. Die klassische New Yorker Salsa basiert in allen Strukturmerkmalen auf dem kubanischen Son und seinen Spielarten und unterscheidet sich im Prinzip nur durch die ausgeprägt Jazz-beeinflußte Instrumentierung, durch die sozialkritischen, sich auf das Leben der Latinos in New York und den Staaten beziehenden Texte und die Individualisierung der Musiker. Die moderne Salsa, so wie sie auch hier auf SALSA FRESCA! vertreten ist, hat diese Merkmale weitgehend verloren und ist daher im Prinzip nichts anderes als aufgefrischter kubanischer Son, wobei die Kubaner als eigentliche Urheber an dieser Entwicklung gezwungenermaßen kaum Anteil hatten.

Aber zurück zum Besprechungsobjekt. Erstklassige Interpreten, tolle Musik, informatives Begleitheft, gelungenes Cover, wo ist denn da der Haken? Wahrscheinlich gibt es die CD nur in den Staaten und muß unter Zuhilfenahme des nächsten Urlaubs oder beim Shopping-Wochenende in New York besorgt werden. Weit gefehlt! Ich klappere ja regelmäßig Musikläden und die CD-Abteilungen der Kaufhäuser ab, und was mir unter der Rubrik karibische oder südamerikanische Folklore fast ständig in die Hände fällt, ist SALSA FRESCA! Ich hoffe, Ihr habt ähnlichen Erfolg beim Suchen, denn diese CD gehört in jede Sammlung und ohne Zweifel zum Besten, was auf dem deutschen und europäischen Markt derzeit angeboten wird. Der Preis ist zwar im obersten Bereich angesiedelt (um die 30-35 Mark), aber es lohnt sich!

Zum Schluß nochmal was zur "frischen Salsa". RMM hat es ja geschafft, die Salsa in den Staaten und weltweit bis zur Perfektion zu kommerzialisieren, was leider auch zunehmende Langeweile mit sich bringt. In diesem Sinne ist diese Kompilation von Sony wirklich SALSA FRESCA! und bestätigt das alte Sprichwort: "Konkurrenz belebt das Geschäft."

Die Titel im Überblick: 

  1. Quítate La Máscara (Hansel Martinez)
  2. Pa' Bravo Yo (Pupy Santiago)
  3. Bailando (Frankie Ruiz)
  4. Acabo De Llegar (Alex Leon)
  5. Idilio (Willie Colón)
  6. No Me Acostumbro (Rey Ruiz)
  7. Una Aventura (Grupo Niche)
  8. Bandolera (Johnny Ray)
  9. Esos Tus Ojos Negros (Pete "El Conde" Rodriguez)
  10. Esa Muñeca (Willie Rosario)
  11. Lo Que Pasó Entre Tu Y Yo ... Pasó (Luis Enrique)
  12. Que Manera De Quererte (Gilberto Santa Rosa)
  13. Lluvia (Eddie Santiago)
  14. Amor Lunático (Giro)
  15. No Tires La Primera Piedra (Tommy Olivencia)
nach oben Text: Copyright '99 Rob Lücking (rlucking@hotmail.com)
Ranking-Hits Layout: Copyright '99 Klaus Reiter (klaus@salsaholic.de).Letzte Änderung: 4.4.2000.
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