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 CDs

¡Cubanismo! (Featuring John Boutté and The Vockamo All-Stars):
Mardi Gras Mambo (¡Cubanismo! in New Orleans)

(p) & (c) 2000 Rykodisc / Hannibal (HNCD 1441)

CD-Besprechung von Rob Lücking

CD Cover

Nach längerer Pause habe ich auch mal wieder eine CD-Besprechung auf die Reihe bekommen. Noch etwas benommen vom vergangenen Milleniumjahr 2000, das uns wirklich mit erstklassigen Salsaproduktionen verwöhnt hat. Angefangen von SÃO SALVADOR (Ricardo Lemvo & Makina Loca) und ALMA CARIBEÑA (Gloria Éstefan) über SABOREANDO... SALSA DURA EN EL BRONX! (Wayne Gorbea & Salsa Picante) und BETECE/MANDALI (Africando) bis hin zu SIEMPRE VIVIRÉ (Celia Cruz) und den frischgebackenen Grammy-Gewinnern Tito Puente & Eddie Palmieri mit MASTERPIECE (alle auf den vordersten Plätzen in den Deutschen Salsa-Charts zu finden).

Etwas verspätet hat meine Unsicherheit, welcher dieser Produktionen ich denn nun das Prädikat "Album des Jahres" verleihen soll, neue Nahrung bekommen. Schuld daran sind Jesús Alemañy mit seiner Truppe Cubanismo, begleitet von John Boutté und den Vockamo All-Stars, und ihre aktuellen Produktion MARDI GRAS MAMBO (¡CUBANISMO! IN NEW ORLEANS). Produziert 1999 und veröffentlicht im August 2000 (in den U.S.A. erst im Februar 2001), hatte ich erst jetzt die Gelegenheit, dieses Album näher unter die Lupe zu nehmen. Umso mehr war ich beeindruckt. Wow! New Orleans Jazz und Descarga Habanera, Rhythm & Blues und Mambo, Mardi Gras Chants und Timba, alles vereint auf einer CD! Hut ab, was Jesús Alemañy, Joe Boyd und Mark Bingham da in einer spontanen Aktion auf die Beine gestellt haben!

Ungeachtet der seit Jahrzehnten angespannten politischen Situation zwischen Kuba und den U.S.A. haben Havana und New Orleans viele Gemeinsamkeiten: beides Hafenstädte in der nördlichen Karibik, spielten sie in der Folgezeit der Wiederentdeckung Amerikas eine wichtige Rolle als kulturelle Schmelztiegel, angetrieben nicht zuletzt durch den intensiven Sklavenhandel. So wie Salsa und Soukouss in kubanischem Son und Rumba verwurzelt sind, gelten New Orleans Jazz und Rhythm & Blues als die Vorläufer moderner Rock- und Popmusik. Und hier wie dort standen und stehen afrikanische Chants und Spontanität im Zentrum musikalischer Entwicklungen. Die Verbundenheit beider Metropolen mag mit ein Grund für Jesús Alemañys "love affair" mit New Orleans sein, wo Cubanismo auf der New Orleans Jazz & Heritage Fair 1997 ihr erstes Live-Konzert gaben und seitdem regelmäßig auftreten. "It's one of the places that I feel the most comfortable in and identify most with when we come to the states. It's a place where people are keeping alive their traditions, like in Havana", so Alemañy.

Marie Laveaux und Mother in Law, die beiden Opener auf MARDI GRAS MAMBO, New Olreans - Havanazeigen die naturgemäß im Vordergrund stehende Seite dieser gelungenen Fusión Caribeña: New Orleans-Standards, adaptiert an kubanische Rhythmen im typischen Cubanismo-Sound. Harmlose Friseuse bei Tag, wirkte Marie Laveaux bei Nacht als berüchtigte Woodoo Queen im New Orleans des 18. Jahrhunderts. Besucht man ihr Grab auf dem St. Louis Cementery No. 1, kann man sich einen Wunsch erfüllen lassen, vorausgesetzt, man dreht sich dreimal im Kreis, zeichnet drei Kreuze mit einem Ziegelstein auf ihr Grab und hinterläßt eine kleine Gabe. Das mitreißende Duett von John Boutté und Cubanismos Leadvokalist Rafael Duany ist der erste Höhepunkt dieses Albums und hat das Zeug zum Latin-Soul-Klassiker. Und wenn noch irgend jemand Zweifel hatte, ob Salsa und Englisch zusammenpassen, mit diesem Stück sind sie endgültig ausgeräumt.

Die andere Seite bekommt man bei Paso En Tampa zu hören: ein Remake des kubanischen Klassikers von Arsenio Rodriguez im New Orleans Marching Boogie-Sound. Rolo Martinez erzählt die amüsante Story eines Kubaners de visita en Tampa, Florida, der dort leichte Verständigungsprobleme hat. Denn alles, was er als Antwort auf sein broken English zu hören bekommt, ist "What you say? What you say?" Was lernen wir daraus? "If you don't want to suffer like me, ¡Habla Ingles! ¡Habla Ingles!"

Die Essenz von MARDI GRAS MAMBO ist aber die Shallow Water Suite, eine mitreißende Fusion aus kubanischer Rumba, Gospel, Jazz und der Musik des Mardi Gras, des New Orleans Carnival. Ganz zu schweigen von Donald Harrisons genialem Saxofon-Solo. "We needed something religious", erklärt Alemañy, "because that's something alive in Cuba and New Orleans, so we couldn't not have it on the album. So we combined the spiritual Shallow Water with Iko Iko, a famous New Orleans song, and a rumba". Das Resultat gilt bei Fans und Kritikern schon jetzt als einer der besten Songs von Cubanismo überhaupt.

Ich könnte seitenlang über jeden einzelnen Song weiterschreiben, empfehle aber jedem, MARDI GRAS MAMBO selbst auf sich wirken zu lassen. Mit traumwandlerischer Sicherheit, wie sie nur begnadeten Musikern in die Wiege gelegt ist, bewegen sich Cubanismo und ihre Counterparts aus New Orleans hin und her zwischen Rhythm & Blues und kubanischen Standards, zwischen Soul und Latin Jazz, wobei selbst Rap-Einlagen (Eric "Cashus" Clay in Rampart Street Rumba) und unvermittelte Rhythmuswechsel (Montuno-Descarga vs. Marching New Orleans Boogie in Gumbo Son) souverän gelingen. Ein grenzenloses Hörvergnügen, aber nicht zuletzt auch eine Party-CD, denn das ganze Album strahlt vom ersten bis zum letzten Titel die Fröhlichkeit und positive Energie authentischer afrokaribischer Musik aus. Zugegeben, Salsa-Puristen werden mit der rhythmischen Vielfalt von MARDI GRAS MAMBO ihre Probleme haben, aber es lohnt sich, die Scheuklappen mal nach hinten zu drehen und die Ohren aufzusperren.

Jesús Alemañy, der sonst seine Kollegen glatt an die Wand spielt (ich denke da nur an El Paso de Encarnación!), hält sich hier übrigens wohltuend zurück und läßt nur in It Do Me Good sein phänomenales Können aufblitzen. Aber daß er nicht nur Trompete blasen kann, stellt er mit diesem großartigen Album endgültig unter Beweis. Zu meinem Album des Jahres hat es trotzdem, wenn auch nur knapp, nicht gereicht. Welche Produktion denn nun diesen Titel erhalten hat, das löse ich in der übernächsten CD-Besprechung auf...

Salsaholic-Bewertung:

Hörgenuss:  ***** 5 Congas
Tanzbarkeit:  ***** 4 Congas
Originalität:  ***** 5 Congas
Variation:  ***** 5 Congas
Gesamt:  ***** 5 Congas

Die Titel im Überblick:

1.

Marie Laveaux Soul-Salsa (4:46 - 90 bpm)

2.

Mother In Law Chá (5:15 - 65 bpm)

3.

Paso En Tampa Marching Boogie (3:21 - 95 bpm)

4.

Shallow Water Suite Latin Jazz-Boogie-Rumba (6:16 - 65-120 bpm)

5.

Mardi Gras Mambo Mambo-Boogie (4:13 - 95 bpm)

6.

Monteorlines Chant (0:25 - 95 bpm)

7.

It Do Me Good Soul-Bolero-Chá-Descarga (5:18 - 60 bpm)

8.

Alemañy's Boogaloo Boogaloo-Jazz-Descarga (6:14 - 85 bpm)

9.

Rampart Street Rumba Marching Boogie (4:34 - 105 bpm)

10.

Nothing Up My Sleeve Soul-Bolero (4:03 - 50 bpm)

11.

Gumbo Son Montuno-Descarga-Boogie (4:57 - 80-95 bpm)

12.

Cuborleans Salsa-Descarga (95 bpm)


zum Seitenanfang Text: Copyright 2001 Rob Lücking (rlucking@hotmail.com)
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