|
 |
Doppelbesprechung Cantoamérica
Aribarumba (p) (c) 1997 Kaiso
Music |
Calypsonians (p) (c) 1999
("1997") Kaiso Music |
CD-Besprechung von Rob
Lücking
Im Februar dieses Jahres hatte ich wieder das
Glück, drei Wochen in Costa Rica zu verbringen. Zum Arbeiten
natürlich. Vom Strand habe ich nicht einmal ein Sandkörnchen gesehen,
ehrlich! Das lang ersehnte Full Moon Salsa-Open Air
fand auch nicht statt, obwohl ich davon liebend gerne berichtet hätte.
Dafür lernte ich Manuel Monestel kennen, Bandleader von
Cantoamérica, jener Formation, die wir letztes Jahr mit ihrem Album
Por las calles de la vida vorgestellt hatten. Und
diese Begegnung hat mehr als entschädigt für das ausgefallene
Salsa-Festival. Auch deshalb, weil ich mit zwei weiteren CD's der Gruppe nach
Hause kam. Zwar nicht absolut taufrisch, aber in jedem Fall eine Besprechung
wert.
Erste Erkenntnis: Cantoamérica sind sich treu geblieben,
und das ist gut so. Mit dem Nachteil, daß auch diese beiden CD's schwer
zu bekommen sind. Fast drei Jahre hat es gedauert, bis ich ARIBARUMBA und
CALYPSONIANS in Händen hatte, aber das Warten hat sich gelohnt. Inzwischen
gehört Cantoamérica für mich zu den Interpreten, von welchen
ich bedenkenlos jedes neue Album erwerben würde. Oder gleich abonnieren,
wenn das denn ginge. Man kann nur hoffen, daß das mit dem Vertrieb
endlich etwas besser wird, immerhin sind Cantoamérica nun schon 20(!)
Jahre im Geschäft, haben acht Alben produziert und sind mit ihren
insgesamt 16 Tourneen praktisch um die ganze Welt gereist.
Aber genug der Nebensächlichkeiten.
Mit ARIBARUMBA und CALYPSONIANS ist Cantoamérica nach POR LAS CALLES DE
LA VIDA wieder ein schöner Querschnitt durch die afro-karibische Musik
gelungen. Vom Son Montuno und Cha-Cha-Chá über Guaguancó und
Descarga bis hin zu Reggae und afrikanischer Percussion ist alles dabei, bunt
gemischt mit Mut zum Experiment. Mehr noch als in vorherigen Alben legt
Cantoamérica den Schwerpunkt allerdings auf Calypso-Salsas (eigentlich
Calypso-Sones), die so sehr die Mentalität und Lebensfreude der
karibischen Talamanca-Region Costa Ricas wiedergeben. Dort leben in erster
Linie die Nachfahren jamaikanischer Gastarbeiter, die vor mehr als einem
Jahrhundert zum Bau der Eisenbahnlinie nach Limón ins Land geholt worden
waren. Außerdem, versteckt in kaum zugänglichen Reservaten, die
wenigen noch existierenden Bribri-Indianer. Vor allem Cahuita, noch vor ein
paar Jahren ein verschlafenes Dorf, steht für die atmosphärische,
relaxte Mischung aus Rastafari, indigener Kultur und Aussteigertum, welche
diese Region charakterisiert. Mit gelangweiltem Blick auf einer Parkbank sitzen
und den allerneuesten Klatsch austauschen, abends dann bei Reggae, Soca und
Salsa ungeahnte Energien entwickeln, ein Lebensrhythmus, mit dem wir
hektikgewohnten Europäer selten klarkommen und den wir doch so oft
herbeisehnen.
Jemand, den man regelmäßig auf
diesen Parkbänken antrifft, ist Walter Ferguson. Und daß dieser
Walter Ferguson als "anciano trovador" costaricanisches Kulturgut darstellt,
sieht man ihm nun wirklich nicht an (aber das geht uns ja mit Ibrahim Ferrer
nicht anders). Zu Recht hat Cantoamérica diesem
außergewöhnlichen Künstler mit CALYPSONIANS ein ganzes Album
gewidmet. Viele der Songs stammen von Walter Ferguson selbst, doch erst in der
Interpretation von Manuel Monestel, Roberto Huertas, Ramsés Araya und
Co. erwachen sie zum Leben. In der Tat, wenn man gerade nicht in Cahuita auf
einer Parkbank sitzt oder sich im Carnaval von Limón tummelt, dann
fühlt man sich mit den Calypso-Salsas On Carnaval Day, Puerto
Viejo, The First Time I Saw Limón, Monilia,
Everyboy Running To The Carnaval oder mit relaxtem Reggae wie 'Til
The End Of Time oder Quien Te Escucha? glatt dorthin versetzt. Und
wenn dann auch noch Salsa, Calypso und Reggae so gekonnt verschmolzen werden
wie in Calaloo, geht schlicht und einfach die Post ab. Nachdenkliche
Töne dagegen in Habitante Eterno De La Tierra, Hommage an die
indianischen Ureinwohner der Talamanca: "Habitante eterno de la tierra,
corazón de jaguar, alma de selva, deja que tu espíritu vuele
hasta nosotros y nos enseñe nuestro verdadero rostro...". Da wirkt die
tolle Guaguancó-Descarga Chano Pozo fast schon wie ein
Fremdkörper, wie auch Manuel Monestel unumwunden zugibt.
Schade nur, und das ist einer der beiden
Wermutstropfen, daß sich die Alben von Cantoamérica so stark in
ihrem Inhalt überschneiden. Zwar sind auf ARIBARUMBA in erster Linie neue
Stücke zu hören, welche zusammen mit POR LAS CALLES DE LA VIDA einen
Querschnitt über das musikalische Wirken der Gruppe geben. Aber sieben der
neun Songs auf CALYPSONIANS finden sich auch auf den beiden anderen genannten
Alben. Man könnte sich diese CD im Prinzip sparen, wäre da nicht das
geniale Calaloo und das schöne Booklet mit Informationen und
Bildern zu Calypso, Cahuita und Walter Ferguson. Aus der Sicht dieses
unscheinbaren Mannes mit dem ausdrucksstarken Gesicht, in welches sich so viele
Lebensjahre eingeprägt haben, ist CALYPSONIANS sicher eine verdiente und
angemessene Auszeichnung seines Wirkens. Ich selbst kann mich sowieso nicht
beschweren, denn ich habe beide CD's geschenkt bekommen (an dieser Stelle mein
Dank an Manuel Monestel!). Der andere Wermutstropfen: die musikalische
Qualität von Cantoamérica auf Live-Performances kommt auf CD nur
angedeutet wieder, da fehlt so ein kleines bißchen der letzte Pfeffer.
Aber das fällt nur auf, wenn man die Gruppe mal "in vivo" erlebt
hat...
Wer Interesse an Cantoamérica und den hier vorgestellten
Alben gewonnen hat, der sucht in hiesigen Plattengeschäften und auch in
Internet-Versandhäusern leider vergeblich. Aber der nächste Costa
Rica-Urlaub ist ja bei vielen schon vorprogrammiert... Im Zweifelsfalle kann
man sich auch direkt an Manuel Monestel wenden (mmoneste@sol.racsa.co.cr).
Die Titel im Überblick:
|